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Die Mauer bröckelt

Ein Investor schafft Fakten. Heute Morgen um 5:30 Uhr entstand, mittels schwerer Baumaschinen, eine weitere Lücke in der Eastside Gallery. Dem letzten Stück jener Mauer, die dereinst Ost und West recht deutlich in Ost und West gliederte.

Wurde gestern noch, seitens unseres idiotischen Senats und irgendeiner BVV, von so genannten“Kompromissen“ und sogar einem „Ersatzgrundstück“ für den Investor gefaselt, so rückte heute Morgen schweres Gerät nebst zweieinhalb Hundertschaften der hiesigen Polizei dort an, wo letzten Sommer noch der Oststrand war. 5:30 Uhr! Da ist nicht leicht demonstrieren! Da liegt der durchschnittliche Mediaspreeversenker noch in den Federn oder taumelt auf irgend einer Tanzfläche umher. So sahen sich denn heute, morgens, 5:30 in Berlin, die 250 Uniformierten gerade mal zwei Mahnwachen gegenüber. Auch bei bestem Willen liess sich kein Grund finden, diese „Chaoten“ und „Randalierer“ mal „ordentlich zusammenzuknüppeln“.

So standen sie denn alle da und froren sich einen zurecht, während Baumaschinen, und hier müssen wir mal ehrlich sein, vier Elemente der ESG beiseite stellten. Der Investor, Maik Uwe Hinkel, versprach, laut Tagesspiegel, die Dinger irgendwann wieder hinzustellen.

Das wage ich jedoch zu bezweifeln. Die Vier Mauerelemente wurden herausgenommen, um eine Baustellenzufahrt zu schaffen. Gut. Das kann ich einsehen, auch wenn’s mir hinten und vorne nicht passt! Aber was kann schon ein Investor dafür, wenn unsere so genannten Volksvertreter diese Stadt nach und nach verramschen. „Arm aber sexy“ sagte unser Obergrüßaugust einmal. Von Sexyness bleibt jedoch bald keine Spur mehr. Die Armut im Geiste nimmt dafür zu. Das kann man ganz wunderbar sehen, wenn man in dem oben verlinkten Artikel mal „dem Volk auf’s Maul schaut“ und die Kommentare liest.

Nun war auch ich spontan heute Morgen zur Demonstration ausgerückt, um dort als Vertreter der Partei Die PARTEI, sowie als Mensch, der in Berlin einsitzt, meinem Missmut über den Fortschritt des Endes unserer Mauer etwas Luft zu verschaffen. Ich meine, das Ding steht da. Das Ding ist ein Symbol für unsere Geschichte! Als ich heute Morgen an der ESG entlang schlenderte, begegneten mir:

250 Polizisten
50 Demonstranten
50 Presse-Eumel
und mindestens 500 Touristen!!

Scheint so, liebe Senatskapitalisten, dass ihr da mal wieder ein symbolträchtiges Stück unserer Geschichte dem Interesse des nächstbesten Baulöwen in den Rachen werft. Ein Stück unserer Geschichte, das offenkundig ein enormer Touristenmagnet ist. Will sagen, die Touristen rücken hier aus aller Herren Länder an, um sich gegenseitig vor der Mauer zu fotografieren. Dabei lassen die auch noch Geld hier! Und ich zweifle daran, dass die sich vor einem Hochhaus mit Luxuswohnungen oder der absurd hässlichen Mehrzweckhalle schräg gegenüber fotografieren lassen. Denkt ihr eigentlich, ausser über eure Bezüge, auch mal einen Moment lang nach, da im Roten Rathaus??? Mir scheint, sobald hier jemand in Arm-Aber-Sexy mit Geld wedelt, rutscht euch die verbliebene Hirngrütze umgehend in die Hose und ihr wedelt geschlossen mit den Schwänzen und sabbert. Da ist es sogar mittlerweile völlig Wurscht, wes Parteigeistes Kind ihr seid. Und wer bezahlt eigentlich den idiotisch-massiven Polizeieinsatz??? Da langweilten sich heute 250 (zweihundertfünfzig!!!) Uniformierte in ihren Wannen, liessen allesamt die Motoren laufen und kosteten eine Stange Geld.  Jede Menge Geld um fünfzig unausgeschlafene Demonstranten in Schach zu halten, die friedlicher waren als jeder Streichelzoo, gähnend und frierend dort herumlungerten und, wie ich, auch nicht so recht wussten, wie sie jetzt demonstrieren sollten.

Nun sagte Investor Hinkel, dass die Mauerelemente später wieder an Ort und Stelle gestellt werden sollen. Aha! Und die Bewohner des Luxuswohnungshochhauses benutzen dann Leitern, oder was? Kann ich kaum glauben. Vermutlich wollen die viel eher auch noch einen eigenen Bootsanleger und ein Nachtfahrverbot für Touristen-, Fracht- und Privatkähne. Haben sie das erst bekommen, stellen sie eine zusammengesparte Kulturlosigkeit fest und wünschen sich ein Pendant zur hamburger Elbphilharmonie, eine Spreephilharmonie, quasi oder ähnlichen kostenintensiven Mist.

Wo, lieber Grüßaugust Wowereit, bleibt denn dann die von ihnen so hoch gepriesene Sexyness dieser Stadt? Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass die mit den Silberlöffeln in ihren Hintern hier Sexyness verbreiten? Nö! Die wollen für ihre Kohle, die sie hier in ihre Wohnungen und sonstwas investieren Gegenleistungen. Bootsanleger und Spreephilharmonie sind da nur vorsichtige Schätzungen meinerseits.

Schön ist ja auch, dass weder Senat noch BVV was von den frühmorgendlichen Mauerspechten der größeren Art gewusst haben wollen. Nun fragt sich ein jeder, der weiter als bis drei zählen kann (das sind gar nicht mal sooo viele), wer denn bitte die zweihundertfünfzig Beamten zu Unzeiten an die Mauer gejagt hat. Hat etwa Investor Hinkel bei der zuständigen Polizeidienststelle angerufen und gesagt „Hör’n se mal… ich fang da morgen mal mit dem Abbau dieses hässlichen Denkmals an. Habe gehört, dass ein paar von diesen Politrüpeln was dagegen haben könnten. Könn‘ ’se mir mal, so rein präventiv, zweihundertfuffzich von ihrer Truppe schicken?!? Geht um 5:30 Uhr los. Kaffee bitte selber mitbringen!“

Ich frage mich nun ernsthaft, wie lange uns wir hier noch verscheissern lassen und wann endlich mal eine Horde so genannter Wutbürger, mit Knüppeln und Fackeln bewaffnet, das vermaledeite Pack aus den berliner Rathäusern jagt.

P.S.: Was machen eigentlich die Mediaspreeversenker von der ehemaligen Bar 25, die ihr „Spreeufer für alle!“ hinter der „härtesten Tür der Stadt“ verschanzt hatten? Ach, ja… die bauen da jetzt selber irgendwas mit Medien.

Bar 25 vs. MediaSpree

Das SlicesMag hat ein nettes kleines Filmchen über die berliner Bar 25 für ein paar Tage online gestellt. Die Bar 25 zählt ja nun schon sein mehreren Jahren zu den Institutionen im Wochenendleben der Hauptstadt und gehört tatsächlich zu den wenigen Clubs, die auch ich gerne mal besuche (1x im Jahr). Als Zwischennutzer auf einem Gelände der BSR ist die Bar nun auch auch massiv bedroht vom großkapitalistischen Ungetüm namens MediaSpree. Dem derzeit wohl größten Investorenprojekt in Berlin. Im Rahmen von MediaSpree soll das Spreeufer zwischen Jannowitzbrücke und Elsenbrücke auf 3,7 Kilometern mit Hotels, Büros, Lofts und anderem unansehnlichen Zeugs bebaut werden. Für den gemeinen Berliner bliebe gerade mal ein schmaler Fußweg und der eine oder andere Pocket-Park zwischen Spree und den architektonischen Ungetümen.

Nun hat sich jedoch auf den Brachen am Spreeufer ein bunte Sub- und Clubkultur angesiedelt, welche, wie einst der Tresor, nun fester, kutureller Bestandteil der Stadt sind und jede Menge Touristen und deren Geld anziehen. Ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, der, ganz nebenher, für den Ruf sorgt, der Berlin im Rest der Welt so besonders erscheinen lässt. Kurzum, die Zwischennutzer wollen endlich als städtische Kulturschaffende und Wirtschaftskraft   anerkannt und auch so behandelt werden.

Unter anderem aus diesem Grund wurde die Initiative Mediaspree versenken! gegründet. An dieser Initiative beteiligen sich natürlich auch die Zwischennutzer wie Bar 25 oder das Kiki Blofeld. Natürlich sehen die Betreiber dieser Clubs auch ihre finanziellen Felle schwimmen. Gerade die Bar 25 dürfte der umsatzstärkste Zwischennutzer in Berlin sein. So ziehen denn die Bürger Kreuzbergs, Friedrichshains und Treptows Seite an Seite mit Clubbetreibern, Fans und Sympathisanten in bunten Demos zu Land und auf der Spree gegen die übermächtig erscheinenden Windmühlen und fordern ein „Spreeufer für alle!“

Dass die Bürger Berlins, nicht nur die direkten Anwohner, so etwas wünschen und sogar nachhaltig fordern, ist mehr als verständlich und ihr verdammtes Recht! Denn wenn erst einmal die Schicken Büros, Hotels und Lofts am Ufer stehen, kann sich Ottonormalberliner in der Gegend garantiert keine Wohnung mehr leisten. Von dem daraus resultierenden Verkehrsinfarkt in der Ecke mal ganz zu schweigen.

Dass jedoch ausgerechnet die Bar 25 sich den Slogan „Spreeufer für alle!“ auf die Fahnen schreibt, gibt mir doch sehr zu denken. Ist doch gerade die Bar für eine äusserst restriktive Türpolitik bekannt, und lässt nur herein, was man nach den strengen Kriterien der Betreiber unter „alle“ einordnen kann. Nicht ohne Grund trägt die Dame, die zeitweise an der Tür Selektionen durchführt, die Bezeichnung Nazi in ihrem Spitznamen. Hinter dem von genannter Dame bewachtem, meterhohen Zaun hockt und feiert dann die Betreiberschaft nebst ihrer In-Crowd in feinster Uferlage, ungestört vom ungewollten Pöbel, und bewohnt diese im Sommer sogar. In den USA nenn man so etwas Gated Community und in Kreisen, die ein Spreeufer für alle fordern, sollte solch elitäres Verhalten mehr als verpönt sein.

Dass Türsteher in Clubs leider unumgänglich sind, ist jedem klar. Niemand möchte von allzu betrunkenen Trollen die Sneakers vollgekotzt bekommen oder von kahl rasierten Störenfrieden in Umland-Hosen (Camouflage) angepöbelt werden. Blöderweise wird aber gerne mal nicht eingelassen, wer zufällig Inhaber eines Pimmels („Zuviele Männer hier!“) ist oder den Bar 25schen Moderichtlinien nicht entspricht. Damit unterscheiden sich die Betreiber nicht die Bohne von den MediaSpree-Yuppies, denen sie ein „Spreeufer für alle!“ abverlangen.

Auch in diesem Fall gilt, vor Inbetriebnahme des Mundwerks das Gehirn einzuschalten!

Hier noch eine interessante Abrechnung mit der Bar 25 von Mark Seibert aus dem Sommer 2008.

(via KFMW) (Bar 25-Film) (Oel in die Flammen)