Tinitus & Morgenlatte sind kein österreichisches Ambient-Duo

Von einer Morgenerektion, fast so hart wie das Leben, werde ich an einem grauen, kalten Frühlingsmorgen geweckt. Nach einem kurzen Blick auf die innere Uhr stelle ich schlaftrunken fest „zu früh geweckt, du blöder Pimmel!“ und drehe mich auf die andere, die linke Körperseite zwecks Schlaffortsetzung. Zu der eingangs erwähnten Schwellung, schwillt nun auch noch ein Tinitus im rechten Ohr an. Mit dem noch in ihm befindlichen Blut, gibt das Gehirn der rechten Hand den Befehl „Radio einschalten!“, vermutlich um das lästige Geräusch zu übertönen. Diese wagt sich aus der angenehmen Wärme der Bettdecke, findet die passende Fernbedienung, der Daumen den richtigen Knopf und eine ekelhaft gut gelaunte Morgenmoderationsschranze plärrt irgendwas von „der schöne Morgen“ in mein pfeifendes Ohr. Währenddessen versucht sich das nichtpfeifende Ohr so tief ins Kissen zu graben, wie es einem Ohr gerade möglich ist. Mit erstaunlicher Effektivität weist die Morgenmoderationsschranze mit ihrer penetranten Laune Erektion sowie Tinitus in ihre Schranken, indem sie, wortreich, vor Staus und Blitzern warnt.

Deserigiert frage ich mich, warum macht sie das eigentlich? Als ich noch ein Auto hatte, hatte ich immer das Gefühl, dass die hiesigen Autofahrer diese Warnungen als Einladungen missverstehen und sich umgehend zum Stauen auf der Stadtautobahn treffen. Selten hatte ich mehr Zeit zum Frühstücken, als zu der Zeit, als ich berufsmäßig jeden Morgen in die Park Studios nach Babelsberg fuhr, um dort Jeanette Biedermann die Kulissen für eine grauenhafte Telenovela einzurichten. Zwei große Becher Kaffee, zwei Croissants, vier Zigaretten und ein ausgiebiges Gespräch mit der beifahrenden Kollegin waren immer locker drin, im morgendlichen Avusstau!

Mittlerweile von Harndrang gepeinigt, konnte ich sogar die Uhrzeit in Erfahrung bringen: 06:35 Uhr! Innerlich erteile ich den schuldigen Körperteilen einen strengen Verweis. Schliesslich muss ich heute erst ab 12:00 Uhr arbeiten. Resigniert begebe ich mich, ohne in etwas ekel- oder schmerzhaftes zu treten ins Bad. Als ältester Spross einer mutterseelenalleinerziehenden Mutter setze ich mich vorbildlich auf die lindwurmgrüne Toilettenschüssel und glotze, geblendet von einer 70-Watt-Lampe, blöde auf die Badezimmertür. Während ich mir anschliessend die Zähne putze, fällt mein Blick in den Spiegel und ich frage mich, was mein Frisör wohl gerade macht. ich frage mich, wieso ich mich das frage und erhalte nach einem zweiten Blick in den Spiegel die Antwort. Ich könnte ihn anrufen. Werwerfe diese Idee doch rasch wieder, treibe ich ihn doch schon regelmäßig mit meinen Frisurwünschen á la „einmal Paul Weller, bitte!“ an die Grenzen seiner Vorstellungskraft.

Nun stehe ich da in karierten Shorts und altem Punkrockshirt, mein Atem riecht nach Minze und meine Haare sehen scheisse aus. Ich stecke mir eine Zigarette an, schiesse das Radio aus, setze mich an den Rechner, schreibe mir meine heutige Auferstehung von der Seele, wünsche einen guten Morgen, allerseits und höre mich dabei an, wie Heribert Fassbender.

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