Facebook-Leichen

Ich habe, laut Facebook, 113 Freunde. Da aber längst nicht alle davon meine wirklichen Freunde sind, mit denen ich durch Dick und Dünn gehen, bzw. Pferde stehlen würde, bezeichne ich die meisten als Friends. Eigentlich hätte ich sogar 115 Friends, doch zwei Friends haben mich kommentarlos entfriendet, wie man auf Facebook-Deutsch sagt. Warum? Das bleibt meiner Phantasie überlassen. Da meine Phantasie jedoch mit Wichtigerem beschäftigt ist, ist das jetzt der letzte Gedanke, den ich daran verschwende. Tschüss!

Mich interessieren viel mehr die Leute, die man oftmals online sieht (ja, das geht mitunter bei Facebook), die jedoch vielleicht mal alle vier Wochen etwas posten, also, ihren FB-Friends etwas zu sagen haben. Nun frage ich mich, warum man Mitglied eines Sozial-Netzwerkes wird, wenn man überhaupt nicht sozial darin agiert. Wenn man nichtmal einmal pro Woche so etwas belangloses postet wie „Von diesem Winter habe ich langsam die Nase voll!“, oder zumindest unter das Posting eines Friends mal einen kurzen Kommentar schreibt. Manche von denen klicken nichtmal den Gefällt mir-Button. Nichts!

Natürlich gibt es auch die richtigen Facebook-Leichen. Die wurden irgendwann einmal in einer Real-Life-Runde überredet, da doch auch mitzumachen, das sei voll lustig und so. Und man könne so ja mal leichter den Kontakt aufrecht erhalten. Die lassen sich dann breitschlagen, eröffnen einen Account, können damit so gar nichts anfangen und existieren dort einfach nur, sind jedoch zu dusselig höflich kommentarlos ihren Account zu kündigen.

Mich interessieren also die Figuren, die man jeden Tag mit schöner Regelmäßigkeit dort sieht, die jedoch nur seltenst aktiv werden. Es kann ja sein, dass diese Menschen Facebook nur zum Chatten verwenden, nicht jedoch mit mir chatten. Es sei ihnen unbenommen. Natürlich kann es auch sein, dass sie Postings von Leuten kommentieren, mit denen ich wiederum nicht befriendet bin, sich sogar angeregten Diskussionen hingeben. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch äusserst gering.

Ist es vielleicht, so ganz tief im Unbewussten, die Möglichkeit einer Art sozialer Kontrolle? Die Möglichkeit, ständig seine Friends im Blick zu haben, ohne selber etwas preisgeben zu müssen? Ich werde mir da mal ein paar eingehendere Gedanken zu machen um sie demnächst auf diesem Kanal zu veröffentlichen. Hang in there!

(Filmchen direkt)

P.S.: Normalerweise poste ich zu jedem hier erschienenen Beitrag einen Link in mein Facebook-Profil. Dieses Mal werde ich das nicht tun. Ich versuche so eine allzu starke Verwässerung meiner Beobachtungen in den nächsten Wochen zu vermeiden.

    • Stephan Glietsch
    • 2. März 2010

    Ich kenn in der tat Leute, die bei Facebook nichts anderes tun, als andere Leute zu beschnüffeln. Und die auch nur aus diesem Grund dabei sind. Ich kenne aber auch genug Menschen, die das vorgeblich nicht tun, sondern fleißig sozialisieren (beschränkt sich größtenteils auf den Austausch von egoerhaltenden Maßnahmen mit dem Lebenspartner), aber trotzdem – etwa zu ihren Bandkollegen – ständig so Dinge sagen, wie „Während du dich – wie ja jeder mitbekommen hast – den ganzen Tag auf Facebook rumgetrieben hast, hab ich wie ein Blöder gerödelt“. Das sind eigentlich die schlimmeren Figuren: Sie spionieren anderen hinterher, halten sich für was besseres, sind entweder doof oder dreist oder beides (bei so einer Aussage fragt man sich doch zwangsläufig, wie der Idiot Zeit zum „rödeln“ ghefunden haben will, wenn der den lieben langen Tag courtasin-twitching auf facebook betreibt und facebooken ganz offensichtlich für eine überaus zeitaufwändige Tätigkeit hält) und/oder haben die Arroganz andere für dumm zu verkaufen (aus dem selben grund).

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